Kompetenzen - Juni 2023

Lochplatte sucht Paste

Auf dem Weg zur internationalen Norm für Dusch-WCs

Wie effektiv ist ein Duschstrahl? Dafür eine Norm zu finden, die internationale Akzeptanz findet, erwies sich für die zuständige Normierungsorganisation als Herkulesaufgabe. Doch dann hatten zwei Geberit Mitarbeiter die entscheidenden Geistesblitze.

Dieser Auftrag war alles andere als alltäglich. Selbst für Markus Ott. Der Projektleiter und Techniker des Sanitärlabors von Geberit sah sich mit der Aufgabe konfrontiert, ein Messverfahren für die Reinigungswirkung des Wasserstrahls von Dusch-WCs zu entwickeln. Anforderung: Reproduzierbar und vergleichbar muss es sein. Und mehrheitsfähig. Denn verabschieden würde das Verfahren das Norm-Komitee der «International Electrotechnical Commission» (IEC). Hier nehmen neben Geberit auch Vertreter von japanischen und spanischen Sanitärunternehmen Einsitz.

Die Idee mit der Lochplatte
Markus Ott machte sich ans Werk – und fand die Lösung mithilfe einer Lochplatte: Die zwischen 2 und 10 Millimeter dicken Platten weisen ein Gitternetz aus kleinen Löchern auf, die mit einer Paste gefüllt und dann vom Duscharm ausgewaschen werden. Als Messkriterium zählt – bei exakt definierter Wassertemperatur, Wasserdruck und Dusch-Dauer – die Anzahl ausgespülter Löcher. Die Lochplatte wurde vom Norm-Komitee einstimmig verabschiedet, bei der Paste waren die Meinungen allerdings geteilt.

«Mir war klar, dass nur eine synthetisch hergestellte Paste das Seilziehen im Komitee beenden würde.»
Markus Gantenbein, Leiter des Materiallabors

Miso versus Senf
Die asiatischen Protagonisten schworen auf eine sojahaltige Miso-Paste, die westliche Fraktion beharrte für den Test auf handelsüblichen Senf. Erschwerend kam hinzu, dass keine der beiden Massen das Kriterium einer standardisierten Paste erfüllte. Mit der Suche nach einem Ausweg wurde Markus Gantenbein beauftragt, Leiter des Materiallabors der Abteilung «Technologie und Innovation» bei Geberit. «Mir war klar, dass nur eine synthetisch hergestellte Paste das Seilziehen im Komitee beenden würde», hält er rückblickend fest.

Rezept nach Grossmutterart
In den kommenden Wochen sollte das Licht im Materiallabor abends länger als gewöhnlich brennen – Gantenbein entwickelte Pasten. Nach mehreren Prototypen und Versuchen wurde er fündig. Eine Rezeptur aus Zitronensäure, Kalziumchlorid, Zellulose, Wasser, einem Schuss Lebensmittelfarbe und Pektin – ein Geliermittel, das Grossmutter schon zur Herstellung von Marmelade nutzte, schien ihm kompromisswürdig. Und er sollte recht behalten: Die Paste hielt der kritischen Prüfung sämtlicher Komitee-Mitglieder stand. Miso und Senf waren Geschichte.

Knochenharte Normarbeit
Die Messung der Duschstrahl-Reinigungswirkung ist nur eines von aktuell 13 beschriebenen Testverfahren für ein Dusch-WC, welche die IEC unter der etwas sperrig formulierten Normbezeichnung «Elektrisch betriebene Sprühsitze für den Haushalt und ähnliche Zwecke» zusammenfasst. Bei jedem einzelnen Testverfahren gilt es einen Konsens oder Mehrheitsentscheid zu finden. So spricht Markus Gantenbein denn auch von «knochenharter» Normarbeit: «Niemand im Komitee möchte einen Standard, die den eigenen Produkten zum Nachteil gereicht. Daher wird jedes Detail der Testverfahren ausgiebig verhandelt.»

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